Nicht aufs Spielfeld rennen – über Coaching-Spielregeln

Aus dem Fußball ist uns das geläufig: der Trainer (oder Coach) ist am Rande des Spielfeldes zu erleben. Er bleibt in der Regel sachlich, gibt vom Rand aus Tipps oder erinnert an Vereinbartes. Manchmal erlebt man ihn auch eher temperamentvoll, er geht mit, leidet bei Misserfolg, jubelt über ein geschossnes Tor. Solange er sich an die Spielregeln hält, nicht auf das Spielfeld rennt und nicht den Ablauf des Spieles stört, ist das alles ok. Es bewegt sich im Rahmen dessen, was der Trainer darf. Betritt der Trainer während des Spielablaufs das Feld, gibt es Ärger mit dem Schiedsrichter.

Da auch das Coaching außerhalb der Welt des Sports ähnlichen Spielregeln erfolgt, ist das ein recht gutes Bild. Einzig den Schiedsrichter gibt es nicht in dieser Form – hier muss der Coach auch gleichzeitig der Schiedsrichter sein und die Regeln überwachen. Schauen wir mal auf zwei Beispiele, die verdeutlichen, wie diszipliniert der Coach in jedem Coaching bleiben muss.

Beispiele

Beispiel 1: Der Klient, Herr U. erzählt von seinen Konflikten mit seinem Vorgesetzten sehr emotional und drastisch. Der Coach kennt das Unternehmen, er ist auch mit dem Vorgesetzten bekannt und versucht, diesen zu verteidigen und dem Klienten zu erklären, warum es zu den Konflikten kommt. Das geht gar nicht ! Der Coach hat sich weit in das Spielfeld hineinbegeben, er ist Teil des Systems geworden und nicht mehr in der Lage, von außen zu intervenieren und dem Klienten zu helfen, sich im System seiner Rolle, seiner Beziehungen und seiner Ressourcen bewusst zu werden und damit selbst im Systems aktiv zu werden – oder dieses System vielleicht sogar zu verlassen.

Beispiel 2: Die Klientin L. schildert einen Konflikt, in dem sie sich permanent in ihre Kindheit versetzt fühlt und sich ihrer Mutter gegenüber sieht. Der Coach wird in dieser Situation an eigene Konflikte erinnert und beginnt die Klientin zu trösten. Auch das geht gar nicht ! Der Coach hat verpasst, seine Erinnerung wahrzunehmen und als solche wieder an ihren Platz „abzulegen“, damit er eine weiterführende Intervention / Frage anbieten kann.

Auch der Coach ist ein Mensch

Beide Situationen sind immer wieder in Coachingprozessen denkbar. Dass der Coach emotional auf diese reagiert, ist auch möglich. Denn ein Coach soll ja auch als Mensch erkennbar bleiben. Wichtig ist es dann, in der Rolle als Coach zu bleiben und sich nicht „einwickeln“ zu lassen. Der Coach könnte auf die Rückversetzung in die Kindheit aufmerksam machen und fragen, ob die Klientin darüber sprechen möchte, weil es vielleicht mit dem vereinbarten Coaching-Ziel zu tun hat. Oder sollte im Beispiel 1 die Involvierung des Coachs so stark sein, dass er nicht mehr als Coach handlungsfähig bleibt, so sollte dies festgestellt werden und eine Möglichkeit gesucht werden, diesem Interessenkonflikt aus dem Weg zu gehen – das Thema / Ziel neu beschrieben werden oder ggf. auch das Coaching abgebrochen werden. (Auch das erfolgt aber in einer transparenten und geordneten Art und Weise.)